Dr. Zweigelt und der NS-Terror
Dass die Rebsorte Rotburger, hinter dem Grünen Veltliner auf Platz 2 der populärsten Reben Österreichs, 1975 den Namen Zweigelt bekam und heute immer noch Zweigelt heißt, drückt eine traurige Wahrheit aus: Die österr. Weinwirtschaft schweigt wie kein anderer Wirtschaftszweig, der in das nationalsozialistische Terrorsystem verstrickt war. Wer weiß, wie Fritz Zweigelt, glühender Nazi und NSDAP-Mitglied seit dem April 1933, von Klosterneuburg aus agierte, dem sollte eigentlich der Schluck Zweigelt in der Kehle zu Essig werden. Im Rahmen eines Kunstprojektes mischt sich das Institut ohne direkte Eigenschaften, das den Perinetkeller in Wien 20 betreibt (ehemaliges Keller-Atelier der Wiener Aktionisten), in weinpolitische Angelegenheiten ein. Es nimmt die höchst notwendige offizielle und endgültige Umbenennung vorweg und bietet den Qualitätsrotwein unter dem Namen BLAUER MONTAG an.
Ausgezeichneter Volksverhetzer
Der renommierte österreichische Historiker Roman Sandgruber schrieb: Der Unverbesserlichkeit maßgeblicher politischer Entscheidungsträger sei es geschuldet, «dass Österreichs prominenteste Rotweinsorte im Jahre 1975 im Zuge der Qualitätsweinrebsorten-Verordnung in Zweigelt umbenannt wurde und damit nach einem prominenten, wenig gewandelten Nationalsozialisten benannt ist und dass seit 2002 mit höchster politischer Beihilfe jährlich auch ein Dr. Fritz Zweigelt-Preis mit einer entsprechenden Porträt-Medaille verliehen wird.» Als Österreich 1938 ausgelöscht wurde, ging dem Weinpapst das Herz über. O-Ton Zweigelt: «Der böse Traum wurde fortgescheucht von den dröhnenden Schritten deutscher Soldaten. Jüdischem Spekulationsgeist ist für alle Zeiten der Boden entzogen.» Nach der Befreiung wurde Zweigelt wegen Volksverhetzung eingesperrt, aber schon nach sechs Monaten in die Freiheit entlassen. Die von seinem Schüler Lenz Moser initiierte Würdigung seines ramponierten Namens konnte Zweigelt nicht mehr erleben. Mitglieder der lokalen Widerstandgruppe rund um den Klosterneuburger Chorherrn Roman Scholz warfen Zweigelt vor, er hätte verhindern können, dass einer seiner Schüler, ein Aktivist der antifaschistischen Gruppe, an die Gestapo ausgeliefert wurde.
Die Tat, die Zweigelts Ruhm als österreichischen Weinpapst der Zwischenkriegszeit begründete, kann man ihm nicht zum Vorwurf machen: 1922 gelang ihm eine zukunftsreiche Kreuzung der Sorten St. Laurent und Blaufränkisch. Zweigelt selbst nannte seine Erfolgszüchtung Rotburger.
Dr. Zweigelt und die Uhudler-Prohibition
Die nachhaltigste Wirkung erzielte Zweigelt, indem er jene Winzer kriminalisierte, die sich auf die Produktion der Uhudler-Sorten spezialisierten. Er hatte herausfinden lassen, dass der Uhudler hysterisch mache und die Gebärfähigeit der Frau gefährde. So abstrus diese Befunde waren, sie wirken bis in die 90er Jahre, zum Teil bis heute noch. Erst 1995 wurde das Verbot des Uhudlers aufgehoben, und Zweigelts rabiates Uhudler-Bashing garantiert heute zumindest Lachanfälle: Menschen, die regelmäßig Uhudler trinken, schrieb Zweigelt, «bekommen eine fahle Gesichtsfarbe, zittern am ganzen Körper und siechen dahin, während Bauern mit veredelten Weingärten kinderreiche Familien haben, gesund und arbeitsam sind.»
«Blauer Montag» statt «Zweigelt»
Warum die Sortenbezeichnung BLAUER MONTAG gewählt wurde: Der sprichwörtliche blaue Montag steht für das Recht auf ausreichend Muße-Zeit zu Beginn der Woche nach einem Wochenende des Weingenusses unter Freundinnen und Freunden. Aus nationalsozialistischer Sicht verkörpert der blaue Montag ein «unarisches» Lebensgefühl und die Negation der faschistischen «Arbeit macht frei»-Ideologie. Zwei Winzer, Friedl Umschaid aus dem nördlichen Weinviertel und Maximillian Brustbauer aus der Wachau, haben sich bereit erklärt, die von ihnen produzierten Weine aus der Rebsorte Rotburger unter dem Etikett BLAUER MONTAG in Verkehr zu bringen. Das Etikett ist eine Arbeit des Dichters und Grafikers Daniel Böswirth. Das Institut ohne direkte Eigenschaften ersucht Gastronomielokale, Bildungseinrichtungen, Kulturzentren usw., ihren Gästen ab Beginn des Neuen Jahres den entsprechenden Rotwein als BLAUER MONTAG anzubieten. Sie unterstützen damit eine Aktion an der Schnittstelle von Kunst und Politik, die unter anderem junge HistorikerInnen ermutigen soll, der Figur des Fritz Zweigelt endlich die wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu schenken, die einem prominenten Protagonisten des Terrorregimes gebührt, und darüber hinaus einen Impuls setzen soll, die Arisierung der österreichischen Weinwirtschaft zu einem breiten Forschungsthema zu machen.